Fünf Expertentipps
Hochzeitsfotos fernab von klassischen Motiven werden immer beliebter: Inszeniert als romantisches Picknick mit bezaubernden Accessoires, aufgenommen an ungewöhnlichen Orten wie einem alten Nähstübchen oder ganz modern in einer belebten U-Bahn – der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt.
Doch wie findet man gute Ideen und setzt sie professionell um? Das verrät uns Fotograf Jochen Nölle, der schon vielen Hochzeitsfotos eine ganz entzückend-atemberaubende Note verlieh.
Hochzeitsshootings finden häufig in klassischen Locations wie Parks, Gärten oder vor Gebäuden wie einer Kirche oder einem Schloss statt. Genauso klassisch sind die Posen, die gemeinhin für schöne Portraits eingenommen werden – eng umschlungen entweder in Gegenüberstellung, voreinander oder auch anders.
Mit einem solchen Setup lassen sich zweifellos schöne Bilder machen – doch ist diese klassische Brautpaarfotografie nicht meine bevorzugte Art des Fotografierens.
Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten für einen Fotografen, einen der schönsten Tage im Leben des Paares derart festzuhalten, dass es Brautpaar, Familie und Gäste auch Jahre später noch begeistern wird.
Wer ganz unverwechselbare Hochzeitsfotos mit einer besonders individuellen Note entstehen lassen möchte, sollte etwas kreativer an die Sache herangehen. Egal ob Fotograf oder Brautpaar – jeder kann den Anfang machen und den eigenen Partner, den Fotografen oder die Kunden von seinem Vorhaben und Ideen überzeugen.
Das Brautpaarshooting – echtes Teamwork!
Wenn der Fotograf sich nicht ausschließlich dazu berufen fühlt, am eigentlichen Hochzeitstag zu fotografieren, und das Brautpaar auch gerne Ideen etwas abseits des Mainstreams entwickelt, ist dies eine tolle Grundlage für außergewöhnliche Hochzeitsfotos!
Ich verwende absichtlich nicht den Begriff Portraits in diesem Zusammenhang, denn es können auch perfekt arrangierte Szenen sein, die zu hervorragenden Ergebnissen führen. Die Ideen lassen sich prima zusammen entwickeln und so macht die gemeinsame Vorbereitung des Hochzeitsshooting richtig Spaß – im Idealfall bilden Brautpaar und Fotograf also ein echtes Kreativteam.
Am Anfang steht die Idee…
… aber woher soll sie kommen? Es gibt viele Ansätze, die zum Ziel führen. Ich frage die Brautpaare beim Vorgespräch stets, welche Hobbies oder Gemeinsamkeiten sie haben. Daraus lässt sich fast immer eine Idee entwickeln. Ein Tanzpaar in einer stadtbekannten Outdoor-Kulisse oder ein musizierendes Brautpaar in der Fußgängerzone mit bereitgelegtem Spendenhut kann dem Fotograf spannende Motive liefern.
Das Brautpaar kann auch hinter einer Zeitung versteckt am Straßenkiosk stehend Ihr Interesse für Politik und Gesellschaft inszenieren, jeder mit einer Zeitung, vielleicht auch zusammen hinter einem Exemplar versteckt, lesend, an der Seite hervorlugend oder sich küssend – diese Szenen ergeben sich spontan ganz von selbst. Angenehmer Nebeneffekt: Als Fotograf muss ich mir keinen Kopf um Brautposen machen, allenfalls kann ich aus fotografischer Sicht noch etwas korrigieren, damit es als Bild gut aussieht.
Die Location
Ein zweiter Ansatz führt mich über die Hochzeitslocation zum Motiv. Dieser gedankliche Weg ist sinnvoll, wenn das Brautpaarshooting am Hochzeitstag selbst stattfinden soll und bei durchschnittlich einer Stunde Zeit nicht allzu weit vom Ort der Trauung entfernt sein darf. In diesem Fall lohnt sich für mich eine intensive Inspektion der nahen Umgebung – entweder direkt vor Ort oder per Internet. Dies ist selbstverständlicher Teil meiner Vorbereitung auf ein Hochzeitsshooting.
Google Maps und Street View ermöglichen auch bei großer Entfernung tolle Orte zu entdecken. Hilfreich ist auch die Option „Bilder“ in der Maps-Ansicht zu aktivieren, dann werden Bilder aus Panoramio an den Orten ihrer Entstehung eingeblendet und man sieht auf Anhieb welche sehenswerten Orte in der Nähe zu finden sind. Als moderner Fotograf lade ich mir außerdem die App TPE (The Photographer’s Ephemeris) aufs iPhone.
Die Anwendung gibt es auch für Android, Windows und Mac. Sie zeigt zu jedem Tag des Jahres auf der Karte den Sonnenstand zu einer gewählten Uhrzeit, so dass ich die Lichtsituation schon bei der Planung berücksichtigen kann. Ein Brautpaar stellt man aus fotografischer Sicht nämlich besser in den Schatten, auch wenn es sich gerade auf der Sonnenseite des Lebens befindet.
Alternativ kann die Sonne auch im Rücken des Brautpaars eine romantische Gegenlichtsituation mit schöner Überstrahlung im Bild erzeugen, aber bitte nicht die Sonne von vorne auf das frisch vermählte Paar scheinen lassen – ich kenne niemanden, der im direkten hellen Sonnenlicht entspannt in die Kamera schauen kann. Außerdem sind die Schatten im Gesicht schwer kontrollierbar und führen zu eher mäßigen Ergebnissen.
Action!
Bei der Ideenfindung über die Location überlege ich mir, was an diesen Orten passieren könnte, weil es zur Umgebung passt aber dennoch bei einem Brautpaarshooting ungewöhnlich ist. An einem kleinen See könnte man Angeln – also organisiere ich eine Angelausrüstung, statte das Brautpaar damit aus und lasse es beim Shooting damit spielen oder posieren. Für diese Idee habe ich einfach bei Nachbarn gefragt, die mir ihr Material zur Verfügung gestellt haben.
Umgekehrt kann auch aus der unerwarteten Situation das richtige Motiv entstehen. In diesem Fall stelle ich mir die Frage, was ich an diesem Ort gerade nicht erwarte. Ein Brautpaar mit Spaten und Mistgabel bei der Feldarbeit ist ebenso ungewöhnlich, wie eines das auf der grünen Wiese Ski fährt, auf der Mittelinsel einer Kreuzung mit Handzeichen den Verkehr lenkt, auf der Kirchenbank sitzend Eis isst (Pastor bzw. Pfarrer vorher fragen), mit Bierdose in der Hand auf einer Parkbank abhängt oder in der Straßenbahn die Ringe tauscht – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Accessoires und Utensilien
Ein paar Utensilien aus dem Schrank der Eltern oder Großeltern können ebenfalls schöne Inszenierungen ermöglichen. Mit einer alten Mittelformatkamera kann der Bräutigam seine frisch Angetraute in der Natur fotografieren, während ich als „echter“ Fotograf diese Shootingszene technisch auf der Höhe der Zeit auf dem digitalen Sensor festhalte. Etwas moderner wird die Szenerie mit einer Super-8 Kamera, die in den 70er Jahren zum Filmen verwendet wurde.
Auch eine romantische Picknickszene mit passender Picknickdecke, -korb und -geschirr bieten mir als Hochzeitsfotografen ein ideales Motiv ohne dass ich mir Gedanken über gestellt Posen machen muss. Das Pärchen wird kurz nach der Trauung emotional so angeregt sein, dass es sich selbst bestens zu beschäftigen weiß und mich nach kurzer Zeit kaum noch beachten wird. Dabei werde ich mit romantischen Motiven belohnt, auf denen selbst ein vermeintlich eher kamerascheues Paar sich entspannt ihrer Zuneigung hingibt.
Orte suchen und finden – Beispiel einer ländlichen Location direkt am Stadtrand von Hamburg
Es gibt selbst in Metropolen wie Hamburg und ihrer Umgebung herausragende Locations abseits des Standards – man muss sie nur finden. Ein Beispiel und besonderes Highlight zugleich ist das Freilichtmuseum am Kiekeberg, das mir persönlich besonders gut gefällt. Die hier gezeigten Fotos sind alle auf diesem Museumsgelände entstanden.
Auf dem zwölf Hektar großen Areal werden über 30 historische Gebäude präsentiert, die zeigen wie unsere Vorfahren in der Lüneburger Heide und der Winsener Marsch früher gelebt haben. Auf diesem Gelände eröffnet sich eine wunderschöne Kulisse für den Hochzeitsfotografen – im Outdoorbereich genauso wie in den Bauernhäusern. Draußen lassen sich Motive mit Hoftieren wie Schafen, Schweinen oder Hühnern einfangen – oder auch einfach ein Picknick im Grünen.
In den Gebäuden entstehen spannende und kontrastreiche Lichtsituationen, wenn das Sonnenlicht durch die Fensterscheiben in ein dunkles Bauernhaus eindringt und das originalgetreue Interieur diffus beleuchtet. Lichtstarke Profikameras laufen dabei zu Hochform auf und zaubern spannende Abbildungen auf den Sensor.
Hochzeiten finden in der alten Schmiede statt – ein extrem dunkles, dafür umso charakteristischeres Gebäude mit Feuerstätten, mehreren Ambossen und fest eingebauten Werktischen an den Fenstern. Mittendrin werden Tische und Bänke aufgebaut um eine zünftige Trauung zu feiern. Eine Kornbrennerei und ein historischer Tanzsaal runden meine Fotografen-Locationliste ab, aber es gibt durchaus noch mehr sehenswerte Orte auf dem Gelände, die absolute Hingucker sind.
Wie an nicht öffentlichen Orten üblich sollte man sich natürlich eine Genehmigung besorgen, wenn die Bilder nicht ausschließlich privat genutzt werden, eine Nachfrage beim Eigentümer klärt die Situation und vermeidet unangenehme Situationen beim Fotoshooting. Dieser Ort soll aber nur ein Beispiel sein für viele interessante Orte in Großstadtnähe. Es gibt sehr viel mehr davon als man denkt – wer sie sucht wird sie auch finden. Los geht’s – viel Spaß beim Erkunden der Umgebung!
After Wedding Shootings gesehen bei:
Die vielseitigen Expertentipps zum After Wedding Shooting und zu außergewöhnlichen Shooting-Locations gab uns der Hochzeitsfotograf Jochen Nölle aus Hamburg. Auch die bezaubernde Fotostrecke des After Wedding Shootings stammt von ihm. Sie alle sind im Freilichtmuseum am Kiekeberg bei Hamburg entstanden.
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